Immer mehr höre ich von Führungskräften, dass Fünf-Jahres-Strategien nicht mehr sinnvoll sind, schliesslich leben wir in Zeiten von VUCA und in einem Jahr ist die Welt ohnehin wieder eine andere. Mit diesem Argument im Hinterkopf wird versucht, mit den klassischen der strategischen Planung nur noch eine Ein-Jahres-Strategie zu entwickeln und dann wieder zu schauen. Alter Wein in neuen Schläuchen, fällt mir dazu nur ein. Es ist das Resultat unser tayloristisch veranlagten Management-Kultur, die auf Wissen und Ordnung basiert, auf mehr oder weniger sicheren Umweltbedingungen ohne hohe Dynamik. Doch das hilft nur, wenn der Weg vom «IST» zum «SOLL» bekannt ist, was heute kaum mehr der Fall ist.
Ist es sinnvoll Probleme zu lösen, die in einem Jahr keine Rolle mehr spielen?
Die Frage «Auf welche Dauer sollen wir denn in der heutigen Zeit eine Strategie ausgelegen?» begegnet mir in letzter Zeit sehr häufig. Und in vielen Fällen ist sie nur rhetorisch gemeint, denn wie oben ausgeführt, sollte doch klar sein, dass eine Strategie ein Mindesthaltbarkeitsdatum von einem Jahr hat. Ich sehe das ganz anders! Die Reaktion, wenn ich antworte, dass eine Strategie auf zehn oder mehr Jahre ausgelegt sein soll, sorgt bei meinen Gegenübern für grosse Augen. Dabei ist die Begründung ganz einfach: Menschen überschätzen, was sie in einem Jahr tun können, und sie unterschätzen, was sie in zehn Jahren tun können. Wenn Sie Ihre Strategie auf ein Jahr auslegen, was glauben Sie, was passiert? Genau! Der Betrachtungszeitraum ist viel zu kurz, um echte Veränderungen einzuleiten und die Organisation zukunftsfähig zu machen. Alles, was Sie durch eine Ein-Jahres-Strategie erhalten, ist eine «Problemlösungsstrategie». Sie werden in einem Jahr Ihre Probleme von heute gelöst haben. Das ist zwar nett und kann die Nerven beruhigen, macht Sie aber nicht fit für die Zukunft. Alles, was Sie bekommen, sind gelöste Probleme, die in einem Jahr aber vielleicht gar keine Rolle mehr spielen.
Strategiearbeit ist nicht operativ
Viele Unternehmen entwickelt Strategien, die die aktuellen Probleme adressieren, denn die sind bekannt und für Führungskräfte greifbar. Sie stammen in der Regel aus dem operativen Geschäft, in dem die Komfortzone liegt, das, was Führungskräfte kennen und deshalb werden auch die Strategie innerhalb dieses bekannten Umfeldes geschaffen. Grosses Denken und ein anspruchsvolles Zielbild finden sich allerdings in Organisationen, die so vorgehen nicht. Es werden lediglich Lösungen für Probleme von gestern kreiert. Zu Bedenken ist allerdings, dass durch die hohe Dynamik, wie wir sie heute und zukünftig noch viel stärker erleben, der Weg zum Ziel grösstenteils noch unbekannt ist. Bei der Strategie sprechen wir vom Weg zum Zielbild. Der ist bekanntlich nicht immer sofort erkennbar. Dieser Gedanke kommt mir oft beim Wandern in den Sinn. Wir haben ein Ziel, bei dem wir ankommen wollen. Meist ist der Weg dorthin auf der Karte bekannt, nicht jedoch, wie die Wetterlage sich entwickelt oder wie mein aktueller Zustand sich auf dem Weg entwickelt. Ich weiß, wo ich hinwill, habe die richtige Ausrüstung und für alle Fälle Regenschutz und trockene Kleidung dabei. Auf dem Weg gibt es aber viele Überraschungen und Ablenkungen, die ich bewältigen muss. Je länger die Wanderung, desto fokussierter muss ich unterwegs sein. Von Etappe zu Etappe orientiere ich mich neu, wähle andere Wege oder weiche Hindernissen aus, die auf der Karte und dem Zielbild natürlich nicht zu erkennen sind. Dann, wenn sich so langsam die Müdigkeit im Kopf und im Körper breitmachen, mein Ziel immer näherkommt und ich spüre, gleich bin ich da, dann kommt nochmals das nächste Tal oder ein steiles Teilstück und ich muss meine Strategie erneut anpassen. In etwa so fühlt sich die neue Dynamik an. Anspruchsvoll, abwechselnd und ermüdend. Mit dem richtigen Strategieprozess aber machbar.
Verlängern Sie die Haltbarkeit Ihrer Strategie
Gehen wir einmal weg von schnell verderblichen Jahresstrategien, die ohnehin nicht schmackhaft sind und wenden uns dem zu was passiert, wenn Sie ein Zielbild Ihrer Organisation in zehn oder mehr Jahren zeichnen? Eine höchst anspruchsvolle Aufgabe, schliesslich können wir die Zukunft nicht vorhersagen und weitere Pandemien, Kriege oder Ähnliches jederzeit zuschlagen. Aber: Sie kennen Ihr Unternehmen, Sie wissen, woher Sie kommen, Sie kennen den Markt und können ihn gut einschätzen. Und Sie haben eine Idee, was Sie mit Ihrer Organisation noch alles anstellen wollen. Lassen Sie mich zum Abschluss eine meiner Lieblingsfragen stellen: «Wenn Sie einen Zauberstab bekämen. Was würden Sie sofort an Ihrer Organisation ändern, wenn Personalressourcen, Zeit und Geld keine Rolle spielen?» Ich will es nochmals unterstreichen: Wir unterschätzen, was wir in zehn Jahren erreichen können. Also denken Sie groß, wenn Sie das Zukunftsbild Ihrer Organisation zeichnen.
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