Zwei zentrale Themen, die beispielhaft zeigen, warum Führungsmuster von früher gegenwärtig nicht mehr funktionieren, sind der demographische Wandel und die Digitalisierung. Erster führt zu einem Ungleichgewicht von Jung und Alt, was im Arbeitsmarkt für einen Engpass an Nachwuchskräften sorgt. Die hochqualifizierten jungen Bewerberinnen und Bewerber haben derzeit einen ganz anderen Verhandlungsspielraum und fragen sich zunehmend, ob das Unternehmen zu ihnen und ihren Vorstellungen passt. Viele junge Menschen möchten nicht mehr in autoritär geführten Unternehmen arbeiten – die Kultur gewinnt zunehmend an Bedeutung. Sinnhaftigkeit, Wertschätzung und Entwicklung sind ein hohes Gut im «War for Talents» geworden und nicht zuletzt ist die Führung für einen Grossteil davon verantwortlich. Der zweite Punkt, die Digitalisierung, verändert die Form der Zusammenarbeit und die Art und Weise der Kommunikation. Fast das gesamte Wissen ist heute abrufbar und zu finden, jeder hat die Möglichkeit, sich selbst weiterzubilden, weshalb das Know-how einer Führungskraft an Stellenwert einbüsst. Viele weitere kleine wie grössere Faktoren tragen dazu bei, dass neue Kompetenzen in der Führung gefragt sind.
Kompetenz 1: informelle Kommunikation
Kommunikation im Allgemeinen sowie die Fähigkeit, informell zu kommunizieren, wird immer wichtiger. Die Mitarbeitenden wollen keinen unnahbaren Chef, der mit seinem Gefolge im Elfenbeinturm sitzt. Vielmehr möchten sie eine Führungskraft, die zwischendurch locker nachfragt, wie es einem geht, wie es im Urlaub war oder an welchen Projekten man gerade arbeitet. Eine offene und wertschätzende Kommunikation ist die Voraussetzung für ein gutes Betriebsklima. Informelle Kommunikation mit den Mitarbeitenden gehört ebenso dazu wie konstantes Feedback und regelmässige Besprechungen.
Kompetenz 2: das grosse Ganze sehen
Führungskräfte dürfen sich heute weder nur auf einen Teilbereich fokussieren, noch im operativen Geschäft versinken. Es gilt, einen Schritt zurückzugehen und das grosse Bild ins Blickfeld zu nehmen. Immer wieder stelle ich fest, dass Führungskräfte nach viel Strategiearbeit sagen, dass sie jetzt wieder «richtig» arbeiten müssten. Dabei ist Strategie genau die Aufgabe von Führungskräften. Das operative Geschäft gehört in die Hände der Mitarbeitenden, Führungskräfte hingegen müssen die Rahmenbedingungen gestalten und Entwicklung ermöglichen.
Kompetenz 3: die richtigen Fragen stellen
In meiner Ausbildung zum Auditor (ISO 27000) wurde uns eingeprägt, dass wenn wir das Gefühl haben zu wissen, wie alles funktioniert, wir die falschen Fragen stellen. Das gleiche trifft auch auf Führungskräfte zu, wenn sie nicht die richtigen Fragen stellen, überhaupt nicht fragen oder bereits immer eine vermeintlich passende Antwort parat haben: dann ist Entfaltung kaum mehr möglich. Eine Kompetenz von Führungskräften ist es Fragen zu stellen, die Neues ermöglichen, zum Nachdenken anregen und Verbesserungen anstossen.
Kompetenz 4: Empathie und Interesse
Empathie und ein aufrichtiges Interesse an dem, was die Menschen im Unternehmen tun, sowie an den Kunden, ist heute ein Merkmal von guten Führungskräften, denn Führung ist viel umfangreicher geworden und bedeutet im Kern, Menschen zu bewegen und zu begeistern. Nur wer Interesse am Markt, den Kunden und den Menschen hat, leistet einen Beitrag zum Erreichen der Unternehmensziele und kann die richtigen Entscheidungen treffen.
Kompetenz 5: Vertrauen
„Wenn ich will, dass es richtig gemacht wird, mache ich es selbst.“ Es gibt noch zahlreiche Führungskräfte, die nach diesem Credo agieren. Das allerdings lässt darauf schliessen, dass sie nur wenig Vertrauen in die Mitarbeitenden haben. Und wer anderen Menschen nicht vertraut, bekommt in vielen Fällen auch kein Vertrauen entgegenbracht. Es beruht auf Gegenseitigkeit und ist die Grundlage für Beziehungen, die wiederrum ausschlaggebend für die Zusammenarbeit sind. Eine gute Kultur in Teams wird nur dann möglich, wenn die Mitarbeitenden der Führungskraft vertrauen und andersrum.
Kompetenz 6: Vorleben statt vorsagen
Hier gilt vor allem der Grundsatz «Sagen, was man tut und tun, was man sagt» – klingt einfach, scheint allerdings für viele Führungskräfte nicht leicht umzusetzen. Diejenigen, die danach handeln, verhalten sich in einer Weise, die Respekt, Bewunderung und Vertrauen bei ihren Mitarbeitern bewirkt. Zudem gelten sie als verlässlich in ihren Worten und Taten und nehmen dadurch wesentlich wirksamer Einfluss als mit Druck oder Sanktionen, wie es früher gelebt wurde.
Kompetenz 7: Entscheidungsfreude
In der modernen, schnelllebigen Arbeitswelt Entscheidungen zu treffen, wird immer herausfordernder. Von einem Tag auf den anderen kann sich alles ändern und Entscheide werden hinfällig. Zudem gibt es zahlreiche Aspekte, die beim Entscheiden beachtet werden sollten. Dennoch zählt genau das zu den Aufgaben von Führungskräften. Sie müssen Entscheidungen treffen – auch wenn sie unbequem, unangenehm oder unkonventionell sind. Daher ist die Entscheidungsfreude eine der entscheidenden Kompetenzen, die Führungskräfte brauchen. Menschen folgen lieber jemandem, der zugibt, eine Fehlentscheidung getroffen zu haben oder sich korrigiert als jemandem, der gar keine Entscheidungen trifft und keine Richtung vorgibt.
Es gibt noch viele weiter Kompetenzen, die Führungskräfte heute mitbringen sollten, denn Fakt ist, dass wir eine neue Leadership-DNA brauchen, damit Führung wieder funktioniert – das ist auch Thema in meinem Buch „Die neue Leadership-DNA: Prinzipien für einen radikalen Umbau der Führung“. Dort erhalten Sie wertvolle Impulse, wie Sie Leadership schon heute wirksam für übermorgen gestalten.