Ökosysteme und Kollaboration – Flexibilität ist gefragt

Zugegeben der Gedanke der Kollaboration ist kein neuer, doch noch heute erlebe ich oftmals, dass Unternehmen nach wie vor das Mindset haben: «Wir gegen den Rest der Welt». Auf Dauer beschränkt dieses Konkurrenzdenken meiner Meinung nach und Unternehmen berauben sich damit grossartiger Möglichkeiten und Chancen. Ein funktionierendes Ökosystem, ein gutes Netzwerk und bereichernde Beziehungen, auch zu Mittbewerbern, sind heute wichtiger denn je.

Ein kleiner Exkurs in die Biologie zeigt, dass Ökosysteme reichhaltige, adaptive und widerstandsfähige Geflechte von Organismen sind. Diese bedingen sich gegenseitig und gehen Symbiosen und Kollaborationen ein. Auch Unternehmen agieren heute nicht mehr in einem luftleeren Raum, sondern gehen eine Vielzahl von Beziehungen ein – sei es zu Mitarbeitenden, Geschäftspartnern oder gar vermeintlichen Konkurrenten.

GELUNGENE KOOPERATIONEN BEREICHERN UND SPAREN KOSTEN

Vielen von uns sind Kooperationen zum Beispiel dann bekannt, wenn ein berühmter Designer oder eine Musikerin mit Bekleidungs- oder Kosmetikmarken zusammenarbeitet. Meist ist das eine Win-Win-Situation, die die Bekanntheit beider noch steigert und die Wünsche der Verbraucher bedient. Doch wie sieht es aus, wenn im ersten Moment vermeintliche Konkurrenten zusammenarbeiten? In meinem persönlichen Umfeld habe ich das bereits erlebt – und vorweg gesagt waren die Ergebnisse hervorragend. Bei uns vor Ort gibt es mehrere Schreinereien, die für die Fertigung ihrer Produkte alle mehr oder weniger die gleichen Produktionsanlagen brauchen. Anstatt, dass sich jede davon jetzt die teuren Anlagen selbst kauft, zusätzlich noch Platz anmietet und Kosten für die Wartung und die Betriebsmittel übernimmt, haben die Schreinereien sich zusammengetan und teilen Halle, Maschinen und Allgemeinkosten. Das funktioniert problemlos – obwohl sie alle in Konkurrenz zueinanderstehen, haben sie durch bestimmte Rahmenbedingungen ihr Ökosystem aufgebaut, in dem jeder weiterhin seine Kunden betreut und dabei noch Geld spart.

OFFENHEIT – DER ERSTE SCHRITT ZU GELINGENDEN ÖKOSYSTEMEN

Damit Unternehmen gelingende Beziehungen und ein Netzwerk aufbauen können, braucht es vor allem eine Veränderung in der Haltung. Viele Menschen mit Führungsverantwortung sind vom «Survival of the fittest» Prinzip geprägt. Wissen und Informationen galt es für sich zu behalten, Aufträge wurden angenommen, auch wenn man wusste, dass es Unternehmen gibt, die diese besser bedienen können und Mitarbeitende durften anderen bloss nichts davon erzählen, welche Herausforderungen gerade anliegen. Hier braucht es meiner Meinung nach eine deutliche Veränderung in der Haltung, vor allem bei den Führungskräften. Ich selbst musste das auch lernen und stelle heute immer wieder fest, wie gewinnbringend es ist, sich anderen Menschen zu öffnen und Symbiosen zu nutzen – sei es mit Beraterkolleginnen und -kollegen, Mitarbeitenden oder Freelancern. Wir alle haben unsere Rolle im Ökosystem und begegnen uns auf Augenhöhe. Die wichtigsten Voraussetzungen dafür sind gegenseitiges Vertrauen, Flexibilität und Offenheit – hier können wir von der jungen Generation lernen.

DIE JUNGE GENERATION IST VIEL FLEXIBLER

Früher galt es für Mitarbeitende oft, sich unentbehrlich zu machen. Sprichwörtlich warteten vor der Tür schon zehn andere darauf, den Job zu bekommen, weshalb es galt, so viel Wissen wie möglich zu haben und nicht zu teilen. Zwei grundlegende Aspekte haben sich seither geändert: 1. Der Fachkräftemangel sorgt dafür, dass Mitarbeitende mittlerweile keine Angst mehr vor dem Jobverlust haben und leichter einen neuen Arbeitgeber finden. 2. Wissen ist heute nahezu kostenlos überall und jederzeit verfügbar – Videos, Online-Kurse, Tutorials und Co. sind im Internet für jeden zugänglich. In der jungen Generation findet dadurch ebenfalls ein Umdenken statt: sie teilen mehr und horten weniger. Nehmen wir auch hier wieder ein Beispiel aus dem Alltag von Unternehmen, wie es heute an vielen Stellen täglich vorkommt. Die Führungskraft gibt ihrem jungen Mitarbeiter die Verantwortung dafür, ein paar schwierige Gespräche mit Kunden zu führen. Früher wäre dieser Mitarbeiter mit seiner Herausforderung allein gewesen, hätte sich vielleicht noch mit einer Kollegin ausgetauscht, doch heute ist die Welt offener. Also spricht unser junger Mitarbeiter mit seiner Mutter, die viel Erfahrung mit solchen Situationen hat und fragt nach Rat, wie er mit dem Thema umgehen soll. Er berichtet der Führungskraft davon und jetzt kommt es zu einem Knackpunkt. „Was, spinnst Du, mit anderen über unsere Projekte zu sprechen?! Was wenn der Kunde das mitbekommt?“ So wäre eine typische Reaktion gewesen. Doch sind wir ehrlich, dem Kunden ist das ganz egal, er möchte nur Hilfe haben. Woher diese kommt, ist für ihn nicht relevant. Die jungen Generationen wollen ihre Aufgaben erfüllen und holen sich das nötige Wissen dafür, dort wo es ist. Auch hier befinden wir uns in einem kontinuierlichen Anpassungsprozess. Einerseits, was den Umgang mit Wissen betrifft, anderseits was die Zusammenarbeit mit anderen angeht. In diesem Fall wurde die Mutter kurz Teil des Ökosystems und sorgte dafür, dass der junge Mitarbeiter seine Aufgabe hervorragend lösen konnte.

SYSTEME MÜSSEN SICH AN MENSCHEN ANPASSEN

Vom Gedanken, dass sich Menschen den Systemen anpassen müssen, sollten sich Unternehmen verabschieden. Vielmehr gilt es heute, die Systeme an die Menschen anzupassen. Das betrifft das ganze Umfeld und im Speziellen die Mitarbeitenden. Haben Sie zum Beispiel eine hervorragende Mitarbeiterin, die gerne noch weitere Aufgaben in anderen Unternehmen übernehmen möchte und deshalb nur noch in Teilzeit arbeiten will, sollten Sie überlegen Ihr System anzupassen, statt die gute Fachkraft einfach ziehen zu lassen. Denn letztendlich wird auch Ihr Unternehmen davon profitieren, was die Mitarbeiterin bei der vermeintlichen Konkurrenz lernt. Wie eingangs erwähnt sollte es nicht mehr darum gehen, allein gegen den Rest der Welt zu kämpfen, sondern vielmehr darum, gemeinsam mit neuen Lösungen und Kollaborationen das bestmögliche für das eigene Unternehmen zu erreichen.

In erster Linie braucht es dafür einen radikalen Umbau der Führung – deshalb habe ich dies zum Thema meines aktuellen Buches gemacht: «Die neue Leadership-DNA: Prinzipien für einen radikalen Umbau der Führung». Lesen Sie gerne rein.